Transkription
des MDR-Interviews mit Prof. Kallert:
Sie
erinnern sich bestimmt noch gut an Gert Postel, der überzeugende
Hochstapler, der es ohne Ausbildung und kurioserweise auch ohne Probleme
bis zum Oberarzt in Sachsen schaffte.
Wegen mehrfachen Betrugs und Urkundenfälschung wurde er 1999 zu
4 Jahren Haft verurteilt. Mittlerweile wohnt Postel im hessischen Marburg
und schreibt Bücher.
Vom
Briefträger bis Oberarzt einer Nervenklinik, das schafft nicht
jeder! Gert Postel, Hochstapler aus Bremen gelang der temporäre
Sprung in die ehrenwerte Gesellschaft.
MDR:
Wie geht’s Ihnen denn?
Gert Postel:
Ja gut, natürlich!
Rückblende:
Mitte der 90er erschlich sich Postel von der Post einen Posten in medizinischen
Dienst. Mit gefälschten Zeugnissen und absurdem Vortrag schlug
Postel 40 Mediziner aus dem Feld, wurde Oberarzt im Krankenhaus für
Psychiatrie in Zadrasch bei Leipzig.
Postel: “Da fragte der Vorsitzender mich: ‘Über was haben
Sie promoviert?’ und ich sage: ‘Über kognitiv induzierte Verzerrungen
der stereotypen Urteilsbildung’. Das ist eine Aneinanderreihung leere
Begriffe und er sagte nur: “Ja, ach Sie werden sich bestimmt wohl
fühlen in Leipzig.” Wissen Sie und deshalb als Hochstapler
unter Hochstaplern!
Das
Gremium war baff! Postel wurde gleich leitender Oberarzt. Ein Weltkongress
der Psychiater in Dresden ruft den 48-jährigen jetzt wieder auf
den Plan: “Alles heiße Luft da!”, laut Postel.
Postel:
“Ich war Weiterbildungsbeauftragter des Sächsischen Landesärztekammer,
was ja schon ein Witz als solcher ist. Ich habe Krankheitsbegriffe eingeführt,
die es überhaupt nicht gibt: die ‘bipolare Depression dritten Grades’
vor 120 Psychiatern und kein Mensch hat sich getraut, eine Frage zu
stellen.”
MDR:
Der Herr Postel gilt als großer – sagen wir – Skeptiker der
Psychiatrie. Hat er dazu Grund?
Prof. Kallert:
[Schultern zuckend] Ach, wissen Sie, Herr Postel ist – soweit ich
das weiss – also ein verurteilter Hochstapler.
Man
darf dem Hochstapler eigentlich nichts glauben. Trotzdem kamen hunderte
Leute am Abend zu einer Lesung Postels im Dresdener Rathaus. Der selbstgenannte
Gesellschaftskritiker war zufrieden.
[Meinungen
aus dem Publikum:]
– “Er ist clever und [ich bin] Sympanthisant, wenn Sie
es genau wissen wollen.”
– “Sie haben mich chemisch [rein] erfasst – ich bin hier,
weil ich einfach einmal einen Hochstapler sehen möchte.”
– “So irgendwie vergleiche ich das mit dem Hauptmann von Köpenick.”
Im
Herbst bringt Gert Postel sein neues Buch auf den Markt, denn als Briefträger
will er nicht mehr ran, das kann man ihm getrost glauben.
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